Richtung Inklusion und Diversität
Fragen um Inklusion und Diversität sind Dreh- und Angelpunkt des Projektes “FÖJ für ALLE” gewesen. Aber was bedeuten diese Begriffe eigentlich?
Inklusion und Diversität sind Begriffe, auf die man in den letzten Jahrzehnten besonders in pädagogischen Kontexten regelmäßig stößt. Doch was genau damit gemeint ist und was das im Kleinen für die pädagogische Praxis und im Großen für das gesellschaftliche Zusammenleben heißt, ist immer wieder Bestandteil von Debatten.
Was verstehen wir im FÖJ unter Inklusion?
Der Begriff Inklusion ist in Deutschland vor allem durch die UN-Behindertenrechtskonvention geprägt worden. Seit dem Inkrafttreten der Konvention im Jahre 2006 ist Inklusion ein Menschenrecht. Das bedeutet, dass es ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe für ALLE Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen gibt - ungeachtet von Kategorien wie Geschlecht, Herkunft, sozialer Status, sexueller Orientierung oder Beeinträchtigungen. Inklusion beschreibt eine Form des Zusammenlebens, in der es darum geht, die Barrieren und Hürden abzubauen, auf die Individuen und unterschiedliche Gruppen einer Gesellschaft treffen. Der Blick wird dabei auf die Umwelt eines Menschen gelenkt, welche ihn in unterschiedlichster Weise darin behindern kann, selbstbestimmt das eigene Leben zu gestalten und vollwertig an der Gemeinschaft zu partizipieren. Nicht der Mensch ist beeinträchtigt, sondern seine Umwelt schränkt ihn ein.
Wenn wir von Inklusion im FÖJ sprechen, geht es uns also um den Abbau von Barrieren, die junge Menschen darin behindern, sich (erfolgreich) für einen Freiwilligendienst zu bewerben und daran teilzuhaben. Dies können handfeste bauliche Barrieren oder die Gestaltung eines Internetauftritts sein. Es geht aber auch um die bedürfnisgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes und Arbeitsalltags sowie um den Abbau von Barrieren im Kopf. Oft braucht es vor allem Hintergrundwissen sowie eine offene Haltung aller Beteiligten gegenüber unterschiedlichen Menschen und deren individuellen Bedürfnissen.
Inklusion im FÖJ bedeutet für uns nicht, dass jede Einsatzstelle sich auf die Bedarfe jeder erdenklichen Person einstellen muss. Natürlich kann nicht jede Einsatzstelle Menschen im Rollstuhl oder mit Sehbehinderungen oder einer psychischen Erkrankung einen Platz bieten. Auch soll nicht jede Einsatzstelle in Zukunft einer geflüchteten Person eine Perspektive ermöglichen. Vielmehr geht es darum, dass Bewerber*innen mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf oder gesellschaftlicher Benachteiligung generell die Möglichkeit gegeben wird, ein FÖJ zu machen. Sie sollen nicht aufgrund ihrer Bedürfnisse oder der (vermeintlich) fehlenden Unterstützungsmöglichkeiten nicht teilnehmen können. Das FÖJ arbeitet in diesem Sinne mit einem erweiterten Inklusionsbegriff, der nicht nur auf Jugendliche mit Behinderung gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention abzielt, sondern gemäß des §13 SGB VIII auf ALLE benachteiligten Jugendlichen.
Eine anschauliche Zusammenfassung des Begriffs Inklusion und was es mit dem Abbau von Barrieren auf sich hat, bietet dieses Video von der Aktion Mensch.
Was verstehen wir im FÖJ unter Diversität?
Inklusion und Diversität sind eng miteinander verknüpft. Lässt sich mit Inklusion eine Gesellschaft einfordern, in der Ausschlüsse von Menschen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nicht mehr akzeptiert werden, beschreibt Diversität die Anerkennung von unterschiedlichen Lebensrealitäten und Bedürfnisse - also von gesellschaftlicher Vielfalt.
Hinter dem Begriff Diversität verbirgt sich ein Ansatz, der in den antirassistischen Bürgerrechtsbewegungen in den USA und Europa der 1960er Jahre seinen Ursprung hat. In der Wirtschaft wird heutzutage das Diversity-Management genutzt, um die Unterschiedlichkeiten von Mitarbeitenden als Potenzial zum Nutzen einer Organisation bestmöglich auszuschöpfen. Der aktuelle Diversitätsansatz in der pädagogischen Arbeit hingegen soll dazu beitragen, jeden Menschen als einzigartiges Individuum zu sehen und als solches zu fördern. Dabei wird auch darauf geschaut, inwiefern Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen von Diskriminierung betroffen sind und was dagegen getan werden kann. Erklärungsmuster für Diskriminierung werden dabei nicht nur in Verhaltensweisen von Individuen und ihren Interaktionen gesehen, sondern auch in institutionellen bzw. strukturellen Bedingungen. Der Diversitätsansatz will also auch auf ungleiche Machtverhältnisse aufmerksam machen und zum Ausgleich dieser beitragen.
Diversitätsbewusste Bildungsarbeit im FÖJ bedeutet konkret, die Unterschiedlichkeiten der Teilnehmenden als Ressource zu sehen, Chancengerechtigkeit und Teilhabe zu fördern und Gemeinsamkeiten in der Seminargruppe als verbindendes Element zu nutzen.
Wie können Träger ihren Inklusionsprozess gestalten?
Träger des FÖJ in Westfalen-Lippe ist der LWL mit seiner FÖJ-Zentralstelle. Sie hat sich auf den Weg gemacht, ihre eigenen Strukturen in Bezug auf ihre Inklusivität zu reflektieren und den eigenen Inklusionsprozess voran zu bringen. Dazu wurde eine Trägerselbstevaluation durchgeführt, welche durch die AG Inklusion des bundesweiten Trägerverbunds „Förderverein Ökologische Freiwilligendienste e.V.“ angestoßen wurde.
Mittels eines Fragebogens konnten alle FÖJ-Träger ihren individuellen Stand im Inklusionsprozess reflektieren. Fortschritte werden dadurch sichtbar und Baustellen können identifiziert werden. Im Fragebogen werden die Haltung der Mitarbeitenden, Rahmenbedingungen, Zugänglichkeit, Öffentlichkeitsarbeit, Diskriminierung, Bildungsarbeit und die Zusammensetzung des Team thematisiert. Nach jedem Kapitel gibt es die Möglichkeit, konkrete Schritte und Maßnahmen festzuhalten, die für den jeweiligen Träger realistisch umsetzbar sind. Gleichzeitig möchte der Fragebogen einen Austausch über Inklusion initiieren, an dem alle Mitarbeitenden beteiligt werden, die in irgendeiner Form für die Umsetzung des Freiwilligendienstes zuständig sind.
Der Fragebogen, welcher von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) erarbeitet und auch für das FÖJ zur Verfügung gestellt wurde, kann hier heruntergeladen werden. Er kann von allen Freiwilligendienst-Trägern dazu genutzt werden, sich mit ihrem eigenen Inklusionsprozess auseinanderzusetzen.